dazwischen
Freitag, 3. Mai 2024

Ja, sagten die Schwalben, und kehrten um.

Kapitel 3

Lena lag auf ihrem Bett und zeichnete in ihr Skizzen-Buch, Manni war gerade einkaufen gegangen, das bedeutete eine halbe Stunde für sich. Alleine sein, das konnte sie gut. Nichts gegen Menschen, aber die meisten nahmen sehr viel Raum ein, und wenn sie weg waren, blieb der Raum für Stunden mit ihren Gefühlen besetzt, was manchmal schwer zu ertragen war. Blieb Manni länger fort als vier Stunden, in Freizeiteinheiten gemessen, begann sie unruhig zu werden. Sie waren seit fast fünf Jahren zusammen, wohnten in einer kleinen, ruhigen Wohnung mit vielen Bäumen vor den Fenstern, liebten sich stetig und hatten sich genug zu erzählen. Keiner der beiden war 'beliebt' bei den Gleichaltrigen, sie waren gleichartig in ihrer spröden Seltsamkeit. Das machte es nicht leichter, Menschen kennenzulernen, Freunde zu finden, doch wenn man sich selbst genug ist, reicht schon ein zweiter seiner Art um das Leben erträglich zu machen. Eine Immobilie dazu wäre schön gewesen, so wohnten sie zur Miete und drehten jeden Groschen dreimal um. Ab und zu hatten sie Besuch, hier und da läutete das Telefon, sie beeindruckten sich gegenseitig mit dem Willen zur Veränderung, der täglichen Gestaltung der Gegebenheiten und dem Mut, sich die Wahrheit zu sagen. Es wurde manchmal laut, wie in einer italienischen Soap Opera heftig gestritten und noch heftiger versöhnt.

Es gab nur einen Umstand, den Manni an Lena nicht leiden konnte: Ihr entflammbares Gehirn. Die Liebe ging bei ihr nicht einzig durch den Körper, sie kam mit dem Intellekt, der, weil sie nicht ausreichend gebildet und weit hinter ihren Möglichkeiten zurück geblieben war, sofort in Flammen stand, wenn ein sensibles, gescheites und in sich ruhendes Wesen in ihren Orbit eintrat. Das geschah selten, es gab wenig Menschen die ein gewisses Denken mit der Fähigkeit vereinten, die Welt auf eine sensible Art wahrzunehmen, wenn es denn geschah, wollte Lena hin&fort. Manni merkte das, zumindest unbewusst, natürlich auf die eine oder andere Art. Lenas Augen glänzten, wenn sie von der Person erzählte, oder sie hatte mit der Person eine interessante Diskussion voller Tiefgang, neben der sich seine Gespräch mit ihr wie barbarengröhlen anhörten.

Lena wiederum liebte Manni meistens, nur seine harte Art machte sie nervös. Er ließ sich nichts gefallen, redete immer zurück, war von der ganzen Körperhaltung eher aggressiv. Er lachte selten frei heraus, sie hatte ihn nie kichern gehört, wenn er etwas lustig fand, klang es mehr nach Erstickungsanfall oder Herzinfarkt. Doch er konnte Witze machen, dass sich die Balken bogen und Balkone von Häusern flogen, er war so lustig, dass es weh tat. Am Humor macht sich das Leben fest, dachte Lena dann, und ging spazieren.

Sie hatte eine Katze gezeichnet, die schief grinste, dabei begonnen Gedanken zu wälzen über mögliche Umbrüche in ihrem Leben, da erschien ihr der nahe Wald als das verheißungsvollste Moment des Tages und sie marschierte los. Alleine zu wandern ist anders als alleine daheim zu sein. Man muss es sich antrainieren, das Eine wie das Andere, bei Ersterem ist es nur die Inspiration, die, bei Fuss geliefert, nicht weiter erarbeitet werden muss. Man ist in der Welt, sie hat tausend Geheimnisse unter jedem Kieselstein, offene Augen und ein beschütztes Herz, dazu vielleicht eine Kamera, ein Wetter und ein Ziel vorausgesetzt, schon fehlt es einem an Nichts mehr.

Das Singuläre beim zu Hause sein ist anders, es kann sich leicht Lethargie einschleichen, ein Sofa, eine Packung Käse, Musik oder der Computer, und schon vergehen die Stunden, ohne dass der geistige Input gefunden ward. Theoretisch. In der Praxis ist immer zu viel zu tun, man denke an den Haushalt, die Zubereitung von Essen, das neu Organisieren von Dingen und Zuständen, es ist solange keine Zeit für Inspiration, bis alles erledigt ist, und wie wir alle wissen, tritt dieser Zustand so gut wie nie ein. Ist er erreicht, man müsste am bis dahin längst wieder staubigen Anfang von vorne beginnen. Und die Routine ist auch wieder nur in der Theorie und für kleine Kinder inspirierend. Ein erwachsener Mensch scheut sie. Einzig ihr Inhalt, der beruhigt, was stressig war, und der Umstand, dass sie körperlich ist, meistens, man denke nur an Staubwischen oder abwaschen, mit den Händen, auf den Knien, ohne sich den Kopf zu zerbrechen, nur System 1 am Start, malen nach Zahlen, man verliert sich, so wie dieser Satz sich ganz verloren hat, bis die Erschöpfung reinhaut, das Tagwerk vollbracht ist und für die Recherche zur Findung der Weltformel wieder nicht der richtige Zeitpunkt gewesen ist. So ein Mist. Dann halt morgen, wenn nicht wieder was handfestes dazwischen kommt.

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