dazwischen
Samstag, 4. Mai 2024

Ja, sagten die Schwalben, und kehrten um.

Kapitel 4

Doktor T staunte nicht schlecht, als er am nächsten Tag eine völlig entspannte Situation vorfand. Manni war früh morgens einkaufen gegangen und Lena hatte sich, nach einer, seiner Meinung nach äußerst peinlichen, undefinierbaren Zeichnung zu einem Spaziergang aufgerafft.


Alleine!

Das war äußerst unwahrscheinlich gewesen, nach all seinen Beobachtungen und inklusive der neuesten Berechnungen, hatte es nur eine knapp 1% Chance gegeben, dass dieses Ereignis eintritt. Lena Topatsch, die feige Gurke, war tatsächlich nach draußen aufgebrochen, ohne ein wirkliches Ziel zu haben, es war Sonntag und an Shoppen nicht zu denken, in diesem Provinznest, was alle immer damit haben, schimpfte er, Wien sei eine Weltstadt, mitnichten. Ganz klar, Wien ist ein Dorf, das größenwahnsinnig davon träumt, in einer Reihe mit Madrid, Paris, Berlin und gar New York zu stehen. Sieht man davon ab, dass der Gedanke alleine schon lächerlich ist, so läßt sich am eigentlichen Grad der Realitätsferne erkennen, wie schlimm es um die Wiener wirklich steht. Wenn in Amerika etwas modern wird, kaufen die gescheiten Kaufmänner dies, sofern es sich nicht um eine Neuheit handelt, die man erst herstellen muss, eher so Richtung Rohstoff gehend, oder Ressource, alles auf. Eh es in Europa gefragt wird, ist schon alles weg. Diese Weicheier. Nicht nur Wien, das ganze große Kaff Europa, dass sich einbildet, die Hochkultur gepachtet zu haben, irgendwem voran gehen zu können, mit dem Glauben, dass Wohlstand und Frieden einfach da bleiben, wenn sie einmal anwesend sind. Die beiden nicht als die zickigen Gäste erkennen kann, die sie sind, empfindlich und leicht zu verbrämen, sondern als eine Art Einrichtungsgegenstände zu betrachten, die einfach immer da sind, die man weder pflegen noch bekümmern muss, denen der Staub der Jahrhunderte eher zu Gesichte steht, wie eine Patina oder dieser unsägliche Shabby-Schick aus der nächstbesten Gruselromanze im Trash-Tv, weswegen diese Nasen sie nichtmal putzen!
Der Doktor lachte sein unsägliches Lachen, freute sich massiv über die Dummheit und vergaß einen kurzen Moment auf Lena. Da auch er mittlerweile in die Jahre gekommen war, musste er nochmal zurück ins Büro gehen, um sich zu erinnern, was er eigentlich machen wollte, als er es in Richtung Lift verlassen hatte. Welcher Gedanke war ihm entwischt?


Da war er wieder, und im Augenblick fror ihm sein höhnisches Lächeln eiskalt in die Falten.


Lena.


Sie war unterwegs in einen Naturschutzpark, eine Erkundungstour ins Grüne, hatte ihr Telefon voll geladen und schon fünfzehn passable Fotos geschossen, obwohl es erst halb neun Uhr morgens war. Doktor T nahm sich eine der großen, digitalen Stoppuhren aus dem Regal und stellte die Zeit.


T Minus 15.5 Die Stoppuhr begann ein italienisches Lied über Salami zu trällern, es war mit einem billigen Beat unterlegt. Doktor T gab ihr einen harten Stoß, nachdem er fassungslos zwei Takte lang zugehört hatte. Die Uhr verstummte. Einer seiner Adjutanten eilte herbei und entschuldigte sich förmlich. Es täte ihm so leid, er würde sich um die Behebung des Problems sofort kümmern, könne sich nicht erklären, wie dieser Fehler passiert sei. Doktor T sah ihn vernichtend an. Der Type entfernte sich mit der Stoppuhr in der Hand, nicht unbedingt im Rückwärtsgang, aber schon etwas seitlich schleichend.


T Minus 15.45 Die andere Uhr war friedlich, sagte nur mechanisch ihren Text, das war's. Der Doktor sah sie skeptisch an, nicht dass sich die Maschinen auch noch gegen ihn verschworen hätten, man weiß es ja nicht, stellte sie auf seinen Schreibtisch und ging erneut Richtung Gang. Beim Lift angekommen öffnete sich gerade seine Türe, als er davor stand, Agneta trat heraus.
'Doktor - zu Ihnen wollte ich gerade!'
'Agneta.'
'Ich habe Neuigkeiten.'
'Her damit! Lena betreffend?'
'Exakt.'
'Sie sehen mich vor Spannung Strom produzieren!'
Agneta versuchte über den Witz angemessen zu lachen, es gelang ihr nicht. Dem Doktor entging das, er sah sie an, als würde er pure Bewunderung spüren.
'Lena hat einen neuen Schwachpunkt.'
'Her damit!'
'Sie hat vor etwas mehr als anderthalb Wochen das letzte Mal einen Witz von Manni gekriegt, die kleine Pointe gestern Abend hat sie gleich wieder vergessen. Sie ist voller Angst, dass er zu viel Bier trinkt, ein Problem damit bekommen könnte, deswegen lacht sie nicht mehr mit ihm. Er hat kein Problem, nur Stress in der Arbeit, wird immer einsilbiger und denkt, sie hätte eventuell einen anderen Freund nebenher. Die beiden haben eine KRISE!'
'Ha! In die Kerbe hau ich weiter rein, sehr gut. Danke Agneta-Magneta!'
'Gern geschehen Doktor T.' die junge Assistentin verdrehte die Augen dezent, als sich der Tyrann umgedreht hatte und zurück in sein Büro entschwand. Sie stieg in den Lift, der sich eben wieder öffnete, aus dem ein Schippel Praktikanten strömte, die kichernd ins Gespräch vertieft fast über Agneta gestolpert wären und zog ein altes Tastentelefon aus ihrer Hosentasche. Als der Lift sie in der Lobby entließ, tippte sie dreimal drauf herum und hatte, beim Graben angekommen eine stehende Verbindung.
'Samuel? Hier ist Agneta. Der Fisch ist in der Suppe. Melde mich in zwei Stunden wieder. Salut.'

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